»Der Vorgang des Wanderns trägt zu einem Gefühl
psychischen und geistigen Wohlbefindens bei.« (Bruce Chatwin)

Ein Blog ist wie ein Tagebuch, der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht. Diese – also die Öffentlichkeit – las dann auch in meiner
Geschichte. Eine der Leserin war Anneliese. Sie schrieb mir irgendwann, dass
sie - nicht nur, aber auch - durch meinen Blog den Mut fand, ihren Jakobsweg alleine
weiter zu gehen (den sie bis dahin in Etappen mit einer Freundin gepilgert war,
die nun nicht mehr mitkommen konnte).
Meine innere Uhr weckt mich
rechtzeitig. Wie jeden Morgen. Aufstehen und ins Bad. Während ich warte bis
Klaus auch fertig ist um mit Clyde Gassi laufen, packe ich meine Sachen
zusammen: Fotoapparat, etwas zu trinken, Vesper … .
Noch schnell frühstücken. Dann werde
ich doch fast etwas hektisch. Ich mag nicht gerne zu spät kommen und so bin ich
dann um 8.40 Uhr unterwegs auf der B30 Richtung ‚Süden‘.


Zwei kleine Mädchen (5 und 3
vielleicht), die in einer Garageneinfahrt spielen, grinsen uns an. Die ältere
«Was macht ihr?« – »Wir wandern.« – »Auf dem Jakobusweg?« – »Ja.« – »Ich weiß
wo der lang geht!« – »Toll, dann kannst Du uns das ja zeigen.« – »Hier lang.«
Sprach‘s und begleitet uns stolz zurück zu Kreuzung, wo wir den Abzweiger
verpasst haben. Wir bedanken uns herzlich. Die kleinere der beiden ruft uns
noch nach: »Ich weiß das auch!« Wie süß.
Jetzt führt der Weg aus Brochenzell
zunächst in ein Stück Wald. Der Boden ist zwar noch feucht, aber nicht nass.
Außerdem ist alles von einer dicken Laubschicht bedeckt und somit gut zu
laufen.
So vergeht nicht nur die Zeit
schnell, auch merke ich kaum, wie wir vorwärtslaufen.
Bald laufen wir weiter. Nun nicht
mehr im Wald, sondern zwischen Obstplantagen und Felder. Die angrenzenden
Wiesen sehen noch richtig grün aus. An den Bäumen aber ist der Herbst deutlich
zu erkennen, sie sind meist schon kahl.
Doch es ist herrlich zum Laufen. Die Temperatur
angenehm mild für November und es ist trocken.
Ein Herr Soundso, der selber
Jakobswegpilger ist, hatte irgendwann beschlossen, dass es auf dem Weg hier zu
wenig Ruhemöglichkeiten gibt. In einer ehrenamtlichen Aktion wurden dann im Frühjahr/Sommer
2015 an zwei Stellen neue Rastmöglichkeiten eingerichtet. Zum Einen ist dies
die ‚Marshallbank‘ einige Kilometer nach Unterteuring (der Name rührt von der Familie, auf deren
Grundstück die Bank steht). Wir lernen später, dass hier auch eine Grenze
verläuft, wohl die zwischen Württemberg und Baden.
Bescheidenheit ist nicht immer eine
Zier, das ist mein Gedanke, bei der zweiten Ruhebank bei Oberleimbach. In
großen Lettern prangt hierauf der Name ‚Kreidler‘, die Familie auf deren
Grundstück sie steht, was auf einem Schild auch gleich als erstes angemerkt
wird …
Nun, gerade kommt die Sonne zwischen
den Wolken hervor und wir nutzen die Bank für ein Pause. Sie liegt wirklich
schön und so danken wir dann auch in Gedanken den großzügigen Spendern und
Erbauern.
Anneliese meint, dass der Wegverlauf
in 2004 nicht so schön war wie heute. Denn wir müssen wirklich selten an
Straßen laufen oder diese überqueren.
Im Ort scheinen uns dann an diesem
Samstagnachmittag die Bürgersteige schon hochgeklappt. Die Läden geschlossen
und es sind kaum Menschen zu sehen. Aber die St.-Nikolaus-Kirche ist offen und
wir werfen einen Blick hinein. Jemand ist gerade dabei, die Orgel für das
abendliche Konzert zu stimmen. Hört sich bisschen schräg an …
Kurze Zeit später stehen wir am
Fahrkartenautomat. Dieser mag meinen 20-Euro-Schein nicht annehmen, aber zum
Glück hat Anneliese noch genug Kleingeld für die Fahrkarten. Wir stellen fest,
hier richtig was los. Ich vermute laut, dass die jungen Leute alle nach
Friedrichshafen wollen, schließlich ist es Samstag.
Wir bleiben nicht dort, sondern
steigen in den Zug nach Meckenbeuren. Ich tausche die Wanderschuhe wieder gegen
meine Turnschuhe, mit denen ich besser fahren kann.
Zurück in Baindt, wartet Heinrich, Annelieses
Mann, schon mit dem Abendessen auf uns. Tafelspitz mit Kartoffeln und Meerrettichsoße
und dazu Salat. Lecker, habe ich ewig nicht gegessen. Hungrig nach so einem
Wandertag machen wir uns dankbar darüber her. Mir fällt es richtig schwer, dann
irgendwann die schöne Unterhaltung mehr oder weniger abzubrechen. Doch gegen
halb sieben verabschiede ich mich und fahre nach Laupheim zurück. Ein
wunderschöner Pilgertag in sehr netter Gesellschaft. Ich freue mich auf eine
Wiederholung. Und hoffe, das dauert nicht wieder 5 Jahre, bis wir einen Termin
finden …