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Dienstag, 9. Juni 2015

Das Wandern ist des Pilgers Lust …




Wir machen uns mal wieder auf und wandern. Einfach von der Haustür loslaufen und mal sehen wohin und wie weit der Weg uns führt. Für mich hat so ein Tag in der Natur und zu Fuß unterwegs immer eine sehr belebende Wirkung. Und ich sinniere über das Wandern an sich nach …
 
Früher war mit dem Wort ‚Wandern‘ doch eher ein paar ältere Herren in Knickerbocker mit Tirolerhut und grauem Rucksack, die in ihrer Brotzeit ein Bier und Leberwurstbrot verzehren, verbunden. 

Gegen solche Wanderer ist absolut nichts einzuwenden, doch ich denke, nicht erst seit das Pilgern populär geworden ist, hat das Wandern – heute nennt man es Trekking, wohl damit es sich nicht altmodisch anhört – an Attraktivität gewonnen. Alleine, wenn ich die farbenfrohe Kleidung anschaue, mit der Wanderer unterwegs sind (und ich nehme mich da nicht aus), dann passt das doch viel mehr in die Natur – bunt und vielfältig. Das Wandern ist längst nicht mehr nur ein ‚Alt-Herren-Vergnügen‘

Sicher ist, dass das Wandern in der heutigen oft hektischen Zeit – die Hektik, die aus dem Berufs- und Privatleben entsteht und durch die Medienwelt beeinflusst wird – einer Sehnsucht nach Ruhe entgegen kommt. Vielmehr sind die Sinneseindrücke echt, die Erlebnisse wirklich, die  Erfahrungen ganzheitlich, ohne schalen Beigeschmack oder unerwünschte Nebenwirkungen. Sicher gibt es viele, die Wandern als einen ‚Sport‘ ansehen, was für mich aber immer mit einer gewissen Leistung gleichgesetzt ist, nach dem Motto: höher schneller weiter … 
Doch eben weil sich das Tempo unseres Lebens beschleunigt hat – und zwar oft so sehr, dass wir es mit unseren (begrenzten) Sinnen kaum mehr bewältigen können, ist das Wandern ein wahres Entschleunigung. Es gibt uns etwas von der scheinbar davoneilenden Zeit zurück und erlaubt dem Körper und Geist zur Ruhe zu kommen. Das einfache Gehen erschließt die Umwelt in jener Gelassenheit, die man auch als "Mut zur Langsamkeit" bezeichnen könnte.  Und, der Körper wird schonend gefordert (okay, nicht wenn man meint man müsse einen 20 kg-Rucksack tragen) und die Psyche geöffnet und besänftigt (wenn man es zulässt). So ist denn Wandern vielleicht doch ein Sport, der sanfte Natursport…

Im Gegensatz zu Texas, ist für mich das Wandern in Deutschland gleich Bewegungsfreiheit. Fast überall darf man – und kann man – gehen (das dt. Landschaftsrecht gestattet jedem den freien Zutritt zu Wald und Flur). Die Wege sind generell begehbar (außer es hat den Tag vorher in Strömen geregnet) und viele Routen ausreichend beschildert, dank all der Freiwilligen, die sich darum kümmern. Dies macht das Gehen unbeschwert …
 
Die Natur in ihrer ganzen Pracht erleben, auch das ist Wandern für mich. Der unmittelbare Naturzugang, erlaubt uns, die Schönheiten der Natur direkt vor Ort zu genießen – mit allen Sinnen. In den Städten wird diese von unserer industrialisierten Gesellschaft gefühlt immer stärker zurückgedrängt. Ich habe mal gelesen, dass in einer Studie nachgewiesen wurde, dass  das  Betrachten einer schönen Landschaft Puls und Blutdruck senkt und das Gefühl von Entspannung fördert. Dem kann ich nur zustimmen …
 
Auch wenn das Wandern ein Gehen, ein sich entfernen ist, so heißt Wandern doch auch, sich heimisch fühlen; gerade dann, wenn man dies direkt vor der Haustür tut. Ich sehe es immer wieder bei Kollegen oder Freunden, für die ein Urlaub nur dann ein Urlaub ist, wenn das Reiseziel möglichst weit entfernt ist. Der Bezug bzw. die Beziehung zur unmittelbaren Umgebung geht dadurch immer mehr verloren. Nicht Wenige kennen ihren Lebensraum nur noch vom Auto aus, als Straßenkulisse. Das Wandern bringt diesen Raum wieder näher, die heimische Landschaft wird wiederentdeckt. Neues wird vertraut und Vertrautes neu entdeckt. So wächst man ein Stück wieder in seine Region hinein. Im Wandern geschieht dies in besonders eindrücklicher Weise.

Ich wandere sehr gerne alleine. Aber für mich ist wandern (und natürlich und umso mehr pilgern) auch Begegnung. Nicht nur die mit der Natur, sondern vor allem die mit Menschen. Viele Menschen zählen zu ihren höchsten Lebenswerten die Individualität und Ungebundenheit, aber eben auch freundschaftliche Bindungen. Manchmal scheinen diese Dinge nicht wirklich vereinbar zu sein – doch beim Wandern ist es realisierbar. Ich kann alleine, zu zweit oder in einer größeren Gruppe unterwegs sein. Und selbst bei letzterer Variante habe ich immer auch die Möglichkeit, mich für eine Weile zurückzuziehen. Ich habe schon oft festgestellt, dass das nebeneinander Gehen eine der unkompliziertesten Kommunikationsformen ist. Man kommt ins  Gespräch  und  kann  sich  einfach wieder daraus lösen. Die konventionelle Förmlichkeit wird durchbrochen. Dadurch kann man dem anderen ungewöhnlich intensiv begegnen und doch seine Unabhängigkeit wahren. Gerade weil die soziale Situation des Wanderns so offen ist, entfaltet sie eine ungeahnte heimliche Bindungskraft. Es gibt kaum eine Form des Zusammenseins, die so schnell so tiefgehende Kontakte ermöglicht und Freundschaften schafft.

Und so ist Wandern auch Vielfalt. Dies eben in den Begegnungen, die körperliche Herausforderung, das Genießen der Natur – alles gleichzeitig. Man kann großräumig die Landschaft erkunden, Pflanzen oder Tiere bewundern, seine körperliche Fitness pflegen, aufgeschlossene Geselligkeit genießen, kulturelle Sehenswürdigkeiten erschließen oder gar  die  letzten Abenteuer in unserer Kulturwildnis suchen – was jeder mit Wandern verbindet, bestimmt er nach seinen individuellen Bedürfnissen.

Natürlich ist das Wandern – und vor allem auch das Pilgern – noch viel viel mehr, denn es lässt Raum zur Individualität … eben Etwas für jeden …

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