Wir machen uns mal wieder auf und
wandern. Einfach von der Haustür loslaufen und mal sehen wohin und wie weit der
Weg uns führt. Für mich hat so ein Tag in der Natur und zu Fuß unterwegs immer eine
sehr belebende Wirkung. Und ich sinniere über das Wandern an sich nach …
Früher war mit dem Wort ‚Wandern‘
doch eher ein paar ältere Herren in Knickerbocker mit Tirolerhut und grauem
Rucksack, die in ihrer Brotzeit ein Bier und Leberwurstbrot verzehren,
verbunden.
Gegen solche Wanderer ist absolut nichts einzuwenden, doch ich
denke, nicht erst seit das Pilgern populär geworden ist, hat das Wandern –
heute nennt man es Trekking, wohl damit es sich nicht altmodisch anhört – an
Attraktivität gewonnen. Alleine, wenn ich die farbenfrohe Kleidung anschaue,
mit der Wanderer unterwegs sind (und ich nehme mich da nicht aus), dann passt
das doch viel mehr in die Natur – bunt und vielfältig. Das Wandern ist längst
nicht mehr nur ein ‚Alt-Herren-Vergnügen‘
Sicher ist, dass das Wandern in der
heutigen oft hektischen Zeit – die Hektik, die aus dem Berufs- und Privatleben
entsteht und durch die Medienwelt beeinflusst wird – einer Sehnsucht nach Ruhe
entgegen kommt. Vielmehr sind die Sinneseindrücke echt, die Erlebnisse wirklich,
die Erfahrungen ganzheitlich, ohne schalen
Beigeschmack oder unerwünschte Nebenwirkungen. Sicher gibt es viele, die
Wandern als einen ‚Sport‘ ansehen, was für mich aber immer mit einer gewissen
Leistung gleichgesetzt ist, nach dem Motto: höher schneller weiter …
Doch eben weil sich das Tempo unseres
Lebens beschleunigt hat – und zwar oft so sehr, dass wir es mit unseren
(begrenzten) Sinnen kaum mehr bewältigen können, ist das Wandern ein wahres
Entschleunigung. Es gibt uns etwas von der scheinbar davoneilenden Zeit zurück
und erlaubt dem Körper und Geist zur Ruhe zu kommen. Das einfache Gehen erschließt
die Umwelt in jener Gelassenheit, die man auch als "Mut zur
Langsamkeit" bezeichnen könnte. Und,
der Körper wird schonend gefordert (okay, nicht wenn man meint man müsse einen
20 kg-Rucksack tragen) und die Psyche geöffnet und besänftigt (wenn man es
zulässt). So ist denn Wandern vielleicht doch ein Sport, der sanfte Natursport…
Im Gegensatz zu Texas, ist für mich
das Wandern in Deutschland gleich Bewegungsfreiheit. Fast überall darf man –
und kann man – gehen (das dt. Landschaftsrecht gestattet jedem den freien
Zutritt zu Wald und Flur). Die Wege sind generell begehbar (außer es hat den
Tag vorher in Strömen geregnet) und viele Routen ausreichend beschildert, dank
all der Freiwilligen, die sich darum kümmern. Dies macht das Gehen unbeschwert
…
Die Natur in ihrer ganzen Pracht
erleben, auch das ist Wandern für mich. Der unmittelbare Naturzugang, erlaubt
uns, die Schönheiten der Natur direkt vor Ort zu genießen – mit allen Sinnen. In
den Städten wird diese von unserer industrialisierten Gesellschaft gefühlt
immer stärker zurückgedrängt. Ich habe mal gelesen, dass in einer Studie
nachgewiesen wurde, dass das Betrachten einer schönen Landschaft Puls und
Blutdruck senkt und das Gefühl von Entspannung fördert. Dem kann ich nur
zustimmen …
Auch wenn das Wandern ein Gehen, ein
sich entfernen ist, so heißt Wandern doch auch, sich heimisch fühlen; gerade
dann, wenn man dies direkt vor der Haustür tut. Ich sehe es immer wieder bei
Kollegen oder Freunden, für die ein Urlaub nur dann ein Urlaub ist, wenn das
Reiseziel möglichst weit entfernt ist. Der Bezug bzw. die Beziehung zur
unmittelbaren Umgebung geht dadurch immer mehr verloren. Nicht Wenige kennen
ihren Lebensraum nur noch vom Auto aus, als Straßenkulisse. Das Wandern bringt
diesen Raum wieder näher, die heimische Landschaft wird wiederentdeckt. Neues
wird vertraut und Vertrautes neu entdeckt. So wächst man ein Stück wieder in
seine Region hinein. Im Wandern geschieht dies in besonders eindrücklicher
Weise.
Ich wandere sehr gerne alleine. Aber
für mich ist wandern (und natürlich und umso mehr pilgern) auch Begegnung.
Nicht nur die mit der Natur, sondern vor allem die mit Menschen. Viele Menschen
zählen zu ihren höchsten Lebenswerten die Individualität und Ungebundenheit,
aber eben auch freundschaftliche Bindungen. Manchmal scheinen diese Dinge nicht
wirklich vereinbar zu sein – doch beim Wandern ist es realisierbar. Ich kann
alleine, zu zweit oder in einer größeren Gruppe unterwegs sein. Und selbst bei
letzterer Variante habe ich immer auch die Möglichkeit, mich für eine Weile
zurückzuziehen. Ich habe schon oft festgestellt, dass das nebeneinander Gehen
eine der unkompliziertesten Kommunikationsformen ist. Man kommt ins Gespräch
und kann sich einfach
wieder daraus lösen. Die konventionelle Förmlichkeit wird durchbrochen. Dadurch
kann man dem anderen ungewöhnlich intensiv begegnen und doch seine
Unabhängigkeit wahren. Gerade weil die soziale Situation des Wanderns so offen
ist, entfaltet sie eine ungeahnte heimliche Bindungskraft. Es gibt kaum eine
Form des Zusammenseins, die so schnell so tiefgehende Kontakte ermöglicht und
Freundschaften schafft.
Und so ist Wandern auch Vielfalt.
Dies eben in den Begegnungen, die körperliche Herausforderung, das Genießen der
Natur – alles gleichzeitig. Man kann großräumig die Landschaft erkunden,
Pflanzen oder Tiere bewundern, seine körperliche Fitness pflegen,
aufgeschlossene Geselligkeit genießen, kulturelle Sehenswürdigkeiten erschließen
oder gar die letzten Abenteuer in unserer Kulturwildnis
suchen – was jeder mit Wandern verbindet, bestimmt er nach seinen individuellen
Bedürfnissen.
Natürlich ist das Wandern – und vor
allem auch das Pilgern – noch viel viel mehr, denn es lässt Raum zur
Individualität … eben Etwas für jeden …
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