Von Träumen … geschrieben
kurz bevor ich meinen Camino begann …
Ein Mann ging in die
Kirche und betete zu einem Heiligen: Bitte bitte bitte bitte, lass mich im Lotto gewinnen. Am nächsten
Tag ging er wieder in die Kirche: Bitte bitte bitte bitte lass mich im Lotto
gewinnen. Am übernächsten Tag das Gleiche und am darauffolgenden Tag wieder:
Bitte bitte bitte lass mich im Lotto gewinnen. Eines Tages als der Mann gerade wieder
vor dem Heiligen niederkniete, wurde dieser lebendig und sagte seufzend: Bitte
bitte bitte bitte kaufe dir ein Los...
So wie in dieser Anektode
ist es auch mit unseren Träumen...
Wenn man in Spanien
fragt, wo denn der Jakobsweg beginnt, bekommt man als Antwort: El camino
comienza en su casa! – Der Weg beginnt in Deinem Haus. Und es ist wahr - mein
Haus im weitesten Sinne, bin in diesem Fall ich selber. Denn genau da fing es
an. Als eine Idee – vor ungefähr 20
Jahren. Diese Idee wurde ein Traum. Wie das aber mit Träumen so ist, man
schiebt sie in irgendeinen Winkel des Gehirns, wo man hofft, dass sie vergraben
bleiben. Begraben unter der Bequemlichkeit des Alltags. Weggesperrt hinter den
Mauern der zufriedenen Sicherheit. Fortgespült von den seichten Wassern der
Langeweile. Nur nicht aus der vertrauten Ruhe bringen lassen.
Und viele der Träume tun
dies auch, sie gehen und kommen nicht mehr wieder. Und die Zeit nimmt sich
immer mehr von uns, wir versinken in der Routine. Und eines Morgens wacht man
auf und sieht was man tut und erschrickt vor dem was man kennt weil es immer da
ist. Man hat fast verpasst zu leben.
Dann sind sie wieder da,
die andere Träume, die die einen nicht mehr loslassen, aus der Vesenkung wieder
auftauchen. Natürlich kann man ihre Rufe ignorieren, doch als ein Mensch der
lernen durfte seine inneren Stimmen ernst zu nehmen, höre ich inzwischen auf
solche Rufe. Ich durfte im Laufe der Jahre auch lernen, dass man Träume
verwirklichen kann, Ziele erreichen. Der Weg vom Traum zum Wunsch, vom Wunsch
zum Ziel – und dann zur Verwirklichung, ist oft steinig und für jemanden wie
mich mit wenig Geduld auch sehr lang. Aber wie sagte Walt Disney: Wenn Du es
träumen kannst, kannst Du es erreichen.
Jetzt erfülle ich mir eben einen solchen langgehegten Traum. Ich begebe
mich auf eine Pilgerreise, genau genommen auf einen der Jakobswege. Nicht erst
seit es modern geworden ist, hege ich diesen Traum. Nein, ich habe ihn trotzdem
behalten. Der Reiz ist nicht verloren. So fiel an einem sonnigen
Sonntagnachmittag die Entscheidung: jetzt ist es Zeit. Plötzlich fühle ich mich
frei, weil die Zukunft zur Gegenwart wird. Einen Augenblick der andauert.
So lange habe ich darauf gewartet, doch ganz ehrlich, nun da ich kurz davor
stehe loszulaufen, stelle ich meine Courage in Frage. Es genügt nicht nur, ein
Los zu kaufen – man sollte auch nachschauen ob es gewonnen hat.
Ich weiss, wo ich – zumindest in ungefähr – langwandern werde. Ich habe
eine Idee davon, wie lange ich wahrscheinlich brauche. Wo ich übernachte. Und
durch das Lesen von ein paar Ausschnitten aus Erfahrungsberichten anderer
Pilgerer, weiss ich, es ist machbar.
Aber was wird mit mir als Person geschehen? Äußerlich und Innerlich. Eine
Herausforderung ist sicher die Tatsache, dass ich alleine gehen werde. Nicht
das ich ein Problem mit dem Alleine Sein an sich habe, aber dennoch ist es natürlich
etwas anderes zuhause alleine zu sein oder unterwegs in unbekanntem Terrain.
Dann kommen wieder die Zweifel auf: Kann ich es schaffen? Bin ich genug
vorbereitet? Bin ich fit genug? Ich habe Momente, da verlässt mich mein Mut.
Doch dass ist gut so!
Ich glaube, für alle Dinge gibt es ein richtiges Maß, auch für den Mut. Wer
sich viel zutraut, der wird leicht über-mütig. Und wer sich mehr zutraut, als
er eigentlich kann, der wird hoch-mütig. Auf der anderen Seite: Wer sich ganz
wenig zutraut, der ist mut-los.
Ich glaube, das richtige Maß an Mut, die richtige Einstellung zu mir und
meinen Fähigkeiten liegt irgendwo zwischen Mutlosigkeit und Hochmut, zwischen Übermut
und Demut. Aber es ist gar nicht so einfach, dieses Maß zu treffen.
Mir bleibt an der Stelle nur das Vertrauen. Das Vertrauen in mich selber
und dass Vertrauen in meinen Schutzengel, der mich nun schon 43 Jahre begleitet und beschützt. Und der Segen und
die Gedanken von all den Menschen um mich.
Ich will etwas sehen, das ich noch nie gesehen habe. Ich will erleben, was
ich noch nicht erlebt habe. Ich will finden, was ich noch nicht einmal suche.
Es stimmt: El camino comienza en su casa. Der Weg beginnt in meinem Haus, in
mir, wenn ich die Courage habe, meine Träume zuzulassen und den Mut habe sie zu
leben.
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