»Die Landschaft erobert man mit den Schuhsohlen, nicht mit
den Autoreifen.« (Georges Duhamel)
Nachdem wir nun unsere Ausrüstung
mehr oder weniger komplett haben, wollen wir einen Testlauf manchen. In voller
Montur und mit gepacktem Rucksack. Okay, wir machen es uns ein bisschen
einfach, da wir uns eine Strecke aussuchen an deren Ende wir ein Umsonst-Nachtquartier
haben …
Aber von vorne. Ausgeguckt haben wir
uns das Pfingstwochenende. So können wir Samstag und Sonntag laufen und haben
den Montag noch als ‚Puffertag‘. Oder, wenn nötig, als ‚Ausruhtag‘.
Und wir laufen mal wieder ‚vor Ort‘.
Sprich, von der Haustür los. Genau genommen von Klaus Haustür in Laupheim (etwa
6 km westlich verläuft der Jakobsweg).
Die Vorbereitung liefen ganz gut,
doch wie das so ist, einfach wird es einem selten gemacht. Anfang der Woche
schienen die Wetteraussichten noch ziemlich mies für die Pfingsttage. Aber der
Hl. Jakob hatte ein Einsehen und je näher der Termin rückte, je besser die
Vorhersagen.
Für mich war dies schon am Freitag der
Fall, es hieß packen. Als ich zuhause meinen Rucksack vorgepackt habe und
gewogen, komme ich auf knappe 6 kg. Ohne Wasser. Gut, denke ich. Und auch nach
mehrmaligem Prüfen unter Zuhilfenahme meiner Packliste, fällt mir nichts auf,
das ich vergessen hätte. Das ist ja optimal – wenn es so bleibt.
Tag 1, 23.5.15
Zunächst laufen wir durch Laupheim,
raus zum Baggersee in Richtung Schemmerberg. Etwas nördlich davon treffen wir
auf den Jakobsweg. Als ich die erste gelbe Muschel entdecke bin ich begeistert.
So mit Rucksack und so fühlt sich das gleich wieder wie Pilgern an. Apropos
Rucksack, wir brauchen eine Weile, bis dieser so recht passt. Ich kenne das ja
schon: da es doch recht ungewohnt ist, diesen auf dem Rücken zu haben, zieht,
zerrt und lockert man am Anfang immer wieder irgendwas am Tragesystem, bis man
das Gefühl hat, das Teil sitzt jetzt richtig.
Immer den Zeichen nach, Richtung
Äpfingen. Der Weg führt hier durch ein wundervolles Stück Natur, das Ried.
Bei mir kommt da gleich wieder dieses Gefühl auf,
Teil von etwas Besonderem, von etwas Größerem zu sein.
Die Gemeinde trägt das Zeichen
des St. Jakobus sogar in ihrem Wappen (zwei Muscheln). Auch die hübsche kleine
Kirche trägt den Namen St. Jakobus & Pelagius. Die Kirchenpatrone weisen angeblich auf ein hohes Alter
der Kirche hin. Ich lese auf einem Flyer, dass Laupertshausen schon zu Beginn
des 13. Jahrhunderts ein Pfarrort war und der Turm aus der Spätgotik stammt,
die restliche Ausstattung dagegen aus dem Hochbarock. Und auch hier gibt es
natürlich einen Stempel für den Pass und eine Pause für uns.
Der Weg führt nun ein Stück entlang
der Straße, die aber am heutigen Samstag kaum befahren ist. Es gibt einen recht
neuen, guten Fahrradweg, was für Clydes Wagen wesentlich einfacher zu fahren
(und weniger holperig für den Hund) ist, als die geschotterten Waldwege.
So langsam zehrt die ungewohnte Last
auf dem Rücken doch ein wenig an der Kondition. Aber noch habe ich keine
Schmerzen in den Schultern. Einzig mein linkes Knie macht ein wenig Probleme.
Aber dank der Trekkingstöcke kann ich das gut ausgleichen.
Wir pilgern so vor uns hin. Reden ein
wenig über dies und das, oder auch nicht. Großartige Gedanken mache ich mir
nicht, ich genieße einfach das Hiersein.
In meinem Pilgerführer lese ich, dass
der Jakobsweg nach Biberach hinein über einen Grasweg führt. Wir sind noch guter
Dinge, aber die Kräfte lassen ein wenig nach – immerhin sind wir jetzt schon gute
20 km gelaufen und ein paar Stunden unterwegs. So beschließen wir, auf dem gut
ausgebauten Radweg an der Straße entlang in den Ort zu laufen. Klaus kennt sich
hier bestens aus, daher haben wir keine Probleme die Innenstadt zu finden. Eine
wirklich schön gestaltete Fußgängerzone bzw. Altstadt, mit Cafés und Läden rund
um den Marktplatz.
Leider gibt es hier in der Kirche
keinen Stempel, aber dafür gleich daneben eine öffentliche Toilette.
Etwas erleichtert und erholt machen
wir uns wieder auf. Klaus‘ Tante wohnt in dem Vorort, Birkenhard. Das sind
nochmal knappe 5 km. Und wir müssen den ganzen Berg, den wir auf der einen
Seite in die Stadt hinunter gelaufen sind wieder hinauf schnaufen.
Wir brauchen ca. 1 Stunde, dann endlich,
der Ort kommt in Sicht. Und nach heute ca. 25 gelaufenen Kilometern kommen wir
an. Ein herzlicher Empfang. Erstmal Rucksack runter, Schuhe ausziehen, etwas
trinken. Inge macht sich dann gleich daran zu kochen. Während ich Clyde füttere
– er ißt eine riesen Portion –Pilgern macht auch Hunde hungrig, geht Klaus als
erster in die Dusche. Ich sitze dann noch ein wenig am Tisch, plaudere mit
Inge. Sie zeigt mir einen Artikel in der Schwäbischen Zeitung über die
vermisste Amerikanerin vom Jakobsweg. Ich bin erstaunt, dass sich diese
Nachricht bis in so ein Provinzblatt rumgesprochen hat. Naja ... Aber der
Artikel ist zu meiner Freude recht neutral gehalten und es wird eindeutig
darauf hingewiesen, dass schon im Mittelalter das Pilgern nicht ungefährlich
war (Wegelagerer etc.) ... Und dann kann auch ich endlich eine heiße Dusche
genießen. Danach fühle ich mich schon wieder fast normal.
Ein leckeres, reichhaltiges
Abendessen und viel quatschen. Gegen halb zehn sind wir so müde, dass wir uns
in unser heutiges Pilgerlager zurückziehen. Die obere Wohnung in Inges Haus
steht leer und so haben wir ein herrliches Nachtquartier. Es dauert auch nicht
lange und ich schlafe tief und fest.
Erkenntnisse des Tages:
1. ich könnte in Lumpen oder nackt laufen, keiner würde mich beachten - Clyde ist eindeutig der Star mit seinem roten Flitzer
2. die Sonne
scheint immer auch wenn Wolken davor sind – ich habe einen Sonnenbrand auf den
weißen Flecken an meiner Hand.
3. aus meinem Rucksack
muss definitiv noch was raus, mindestens 2 – 3 kg.
Fortsetzung
folgt …
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