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Dienstag, 26. Mai 2015

Testlauf



»Die Landschaft erobert man mit den Schuhsohlen, nicht mit den Autoreifen.« (Georges Duhamel)

Nachdem wir nun unsere Ausrüstung mehr oder weniger komplett haben, wollen wir einen Testlauf manchen. In voller Montur und mit gepacktem Rucksack. Okay, wir machen es uns ein bisschen einfach, da wir uns eine Strecke aussuchen an deren Ende wir ein Umsonst-Nachtquartier haben …

Aber von vorne. Ausgeguckt haben wir uns das Pfingstwochenende. So können wir Samstag und Sonntag laufen und haben den Montag noch als ‚Puffertag‘. Oder, wenn nötig, als ‚Ausruhtag‘.
Und wir laufen mal wieder ‚vor Ort‘. Sprich, von der Haustür los. Genau genommen von Klaus Haustür in Laupheim (etwa 6 km westlich verläuft der Jakobsweg).

Die Vorbereitung liefen ganz gut, doch wie das so ist, einfach wird es einem selten gemacht. Anfang der Woche schienen die Wetteraussichten noch ziemlich mies für die Pfingsttage. Aber der Hl. Jakob hatte ein Einsehen und je näher der Termin rückte, je besser die Vorhersagen.
Doch dann kam schon die nächste Unsicherheit. Mein Hund Clyde hatte am Freitagmorgen eine kleine OP und es war nicht sicher, ob er fit genug sein würde die „Strapazen“ durchzuhalten. Aber er ist ein zäher kleiner Kerl und da er ja nicht die ganze Strecke laufen muss, sondern meist in seinem Wagen sitzt, kam von der Tierärztin das ok. Na dann kann es ja losgehen …

Für mich war dies schon am Freitag der Fall, es hieß packen. Als ich zuhause meinen Rucksack vorgepackt habe und gewogen, komme ich auf knappe 6 kg. Ohne Wasser. Gut, denke ich. Und auch nach mehrmaligem Prüfen unter Zuhilfenahme meiner Packliste, fällt mir nichts auf, das ich vergessen hätte. Das ist ja optimal – wenn es so bleibt.

Tag 1, 23.5.15

In Laupheim dann, am Samstagmorgen bin ich so begeistert, dass ich doch noch zwei Kleidungsstücke und ein paar Kleinigkeiten dazu packe. Letztlich hat der Rucksack dann mit Essen und Wasser doch knappe 10 kg. Etwas zu schwer, aber für den zweitägigen Testlauf vielleicht ganz gut (immer nach dem Motto: wenn’s genug wehtut, lerne ich es schneller weniger mitzunehmen).
Es ist etwas hektisch am Morgen. Klaus hat noch gar nichts vorbereitet, aber sein Rucksack ist dann doch erstaunlich schnell gepackt. Noch zwei Brote für unterwegs schmieren, Clydes ‚Ferrari‘ vorbereiten und um 9.30 Uhr sind wir auf dem Weg.

Zunächst laufen wir durch Laupheim, raus zum Baggersee in Richtung Schemmerberg. Etwas nördlich davon treffen wir auf den Jakobsweg. Als ich die erste gelbe Muschel entdecke bin ich begeistert. So mit Rucksack und so fühlt sich das gleich wieder wie Pilgern an. Apropos Rucksack, wir brauchen eine Weile, bis dieser so recht passt. Ich kenne das ja schon: da es doch recht ungewohnt ist, diesen auf dem Rücken zu haben, zieht, zerrt und lockert man am Anfang immer wieder irgendwas am Tragesystem, bis man das Gefühl hat, das Teil sitzt jetzt richtig.

Wir beschließen den Ort Schemmerberg heute auszusparen und marschieren weiter. Clyde ist auch schon ein Stück gelaufen, aber in Anbetracht seiner gestrigen OP, sitzt er doch die meiste Zeit in seinem Wagen. Es funktioniert richtig gut. Er springt so ziemlich freiwillig hinein, setzt sich hin und scheint die Fahrt zu genießen. Als wir irgendwann auf die Idee kommen, vorne das die Klappe auch ganz zu öffnen, ist er begeistert und kann den Kopf gar nicht weit genug rausstrecken.

Ein paar Kilometer hinter Schemmerberg sehen wir einen Rastplatz. Der Obst- und Gartenbauverein hat diesen hier für Wanderer angelegt. Er sieht auch sehr einladend aus und eine Pause wäre nicht schlecht. 
Aber leider liegt dieser direkt an der Straße, was nicht so schön ist. So beschließen wir noch ein Stückchen weiter zu laufen.

Immer den Zeichen nach, Richtung Äpfingen. Der Weg führt hier durch ein wundervolles Stück Natur, das Ried.
Um diese Jahreszeit ist alles üppig grün und es duftet herrlich. Das finden wohl auch die Mücken, die in der etwas schwülen Luft so zahlreich sind, dass sie uns in richtigen Wolken umschwirren. Klaus scheint besonders leckeres Blut zu haben und die kleinen Biester belästigen ihn ziemlich übel.
Gleich nach dem Wald weht wieder ein kühler Wind und so sind wir auch die Mücken wieder los. Dafür finden wir kurz vor dem Ort eine schöne Bank für eine Pause. Die haben wir auch nötig. Wir erleichtern die Rucksäcke um den Proviant, der sich – so die alte Pilgerweisheit – im Magen leichter trägt, als auf dem Rücken, und sitzen einfach eine Weile.

In Äpfingen dann führt uns der Weg zunächst zur Pfarrkirche St. Blasius. Hier holen wir uns auch den ersten Stempel. Ich finde es ja toll, dass die Kirchen am Rand des Jakobsweges inzwischen fast alle einen solchen haben. Oft auch ein Büchlein, in das man etwas hineinschreiben kann. 
 
Bei mir kommt da gleich wieder dieses Gefühl auf, Teil von etwas Besonderem, von etwas Größerem zu sein.

Der Jakobsweg ist hier wirklich gut markiert und so folgen wir der gelben Muschel über Felder und blühende Wiesen, durch Wälder und Auen. 

So erreichen wir Laupertshausen. Auch hier immer mal wieder Hinweise auf Jakobspilger.
Die Gemeinde trägt das Zeichen des St. Jakobus sogar in ihrem Wappen (zwei Muscheln). Auch die hübsche kleine Kirche trägt den Namen St. Jakobus & Pelagius. Die Kirchenpatrone weisen angeblich auf ein hohes Alter der Kirche hin. Ich lese auf einem Flyer, dass Laupertshausen schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts ein Pfarrort war und der Turm aus der Spätgotik stammt, die restliche Ausstattung dagegen aus dem Hochbarock. Und auch hier gibt es natürlich einen Stempel für den Pass und eine Pause für uns.

Der Weg führt nun ein Stück entlang der Straße, die aber am heutigen Samstag kaum befahren ist. Es gibt einen recht neuen, guten Fahrradweg, was für Clydes Wagen wesentlich einfacher zu fahren (und weniger holperig für den Hund) ist, als die geschotterten Waldwege.

Der Ort Mettenberg, die nächste Station, liegt – Nomen est Omen - auf einem Berg und wir kommen fast ins Schwitzen, als wir diesen hochlaufen. Über Mettenberg gibt es nicht viel zu sagen. Bestimmt wird auch hier der Ort durch die Kirche (St. Alban), die wir besichtigen. Ich bin immer wieder erstaunt über die schönen Innenräume, der von außen oft gar nicht so imposant aussehenden Gebäude.
 
So langsam zehrt die ungewohnte Last auf dem Rücken doch ein wenig an der Kondition. Aber noch habe ich keine Schmerzen in den Schultern. Einzig mein linkes Knie macht ein wenig Probleme. Aber dank der Trekkingstöcke kann ich das gut ausgleichen.
Wir pilgern so vor uns hin. Reden ein wenig über dies und das, oder auch nicht. Großartige Gedanken mache ich mir nicht, ich genieße einfach das Hiersein.

In meinem Pilgerführer lese ich, dass der Jakobsweg nach Biberach hinein über einen Grasweg führt. Wir sind noch guter Dinge, aber die Kräfte lassen ein wenig nach – immerhin sind wir jetzt schon gute 20 km gelaufen und ein paar Stunden unterwegs. So beschließen wir, auf dem gut ausgebauten Radweg an der Straße entlang in den Ort zu laufen. Klaus kennt sich hier bestens aus, daher haben wir keine Probleme die Innenstadt zu finden. Eine wirklich schön gestaltete Fußgängerzone bzw. Altstadt, mit Cafés und Läden rund um den Marktplatz. 

Biberach ist ein Etappenziel auf dem Jakobsweg, aber wir wollen noch etwas weiter. Doch erstmal ein bisschen Pause machen, gleich neben der großen Pfarrkirche. Darf‘s ein bisschen Bildung sein? Also: Oberschwaben ist ja ziemlich katholisch, doch Biberach macht hier eine kleine Ausnahme. Denn so um 1521 verbreitete sich hier die lutherische Lehre und ca. 1529 stimmte die Mehrheit der Bürger für die Einführung der Reformation. Es ging dann immer mal hin und her und so wird die Stadtpfarrkirche St. Martin und Maria seither von beiden Konfessionen genutzt. Die Chorräume standen den Katholiken, das Langhaus den Protestanten zu. Rundherum blieb jedoch alles streng katholisch.
Leider gibt es hier in der Kirche keinen Stempel, aber dafür gleich daneben eine öffentliche Toilette.

Etwas erleichtert und erholt machen wir uns wieder auf. Klaus‘ Tante wohnt in dem Vorort, Birkenhard. Das sind nochmal knappe 5 km. Und wir müssen den ganzen Berg, den wir auf der einen Seite in die Stadt hinunter gelaufen sind wieder hinauf schnaufen.

Wir brauchen ca. 1 Stunde, dann endlich, der Ort kommt in Sicht. Und nach heute ca. 25 gelaufenen Kilometern kommen wir an. Ein herzlicher Empfang. Erstmal Rucksack runter, Schuhe ausziehen, etwas trinken. Inge macht sich dann gleich daran zu kochen. Während ich Clyde füttere – er ißt eine riesen Portion –Pilgern macht auch Hunde hungrig, geht Klaus als erster in die Dusche. Ich sitze dann noch ein wenig am Tisch, plaudere mit Inge. Sie zeigt mir einen Artikel in der Schwäbischen Zeitung über die vermisste Amerikanerin vom Jakobsweg. Ich bin erstaunt, dass sich diese Nachricht bis in so ein Provinzblatt rumgesprochen hat. Naja ... Aber der Artikel ist zu meiner Freude recht neutral gehalten und es wird eindeutig darauf hingewiesen, dass schon im Mittelalter das Pilgern nicht ungefährlich war (Wegelagerer etc.) ... Und dann kann auch ich endlich eine heiße Dusche genießen. Danach fühle ich mich schon wieder fast normal.

Ein leckeres, reichhaltiges Abendessen und viel quatschen. Gegen halb zehn sind wir so müde, dass wir uns in unser heutiges Pilgerlager zurückziehen. Die obere Wohnung in Inges Haus steht leer und so haben wir ein herrliches Nachtquartier. Es dauert auch nicht lange und ich schlafe tief und fest.

Erkenntnisse des Tages: 
1. ich könnte in Lumpen oder nackt laufen, keiner würde mich beachten - Clyde ist eindeutig der Star mit seinem roten Flitzer
2. die Sonne scheint immer auch wenn Wolken davor sind – ich habe einen Sonnenbrand auf den weißen Flecken an meiner Hand.
3. aus meinem Rucksack muss definitiv noch was raus, mindestens 2 – 3 kg.
 

Fortsetzung folgt …

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