Es
sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen.
(Guy
de Maupassant)
Um halb sieben klingelt der Wecker.
Ich bin allerdings schon seit ca. 1 Std. wach, habe aber noch vor mich
hingedöst um die zwei Herren – Klaus und Clyde, die noch tief und fest schlafen
– nicht zu wecken. Aber nun ist es Zeit. Also aufstehen. Zunächst etwas
zögerlich, irgendwie in der Erwartung, dass mir irgendwas wehtut. Tut es nicht.
Faszinierend, wie sich der Körper in Nacht erholt. Von den gestrigen
Anstrengungen merke ich jedenfalls nichts.
Und es kommt mir vor, als seien wir schon
ewig unterwegs, denn das morgendliche Pilgerritual scheint fast mühelos zu
funktionieren: Zähneputzen, anziehen, anfangen zu packen.
Eine Neuerung gibt es zu meiner
früheren Reise natürlich, denn Clyde möchte gefüttert werden. Wobei er kein
Frühstücker ist und sein Essen nicht anrührt. Ja und dann braucht er ja auch
noch seine morgendliche Runde Gassi gehen. Fröhlich läuft er den Feldweg
entlang und will gar nicht mehr anhalten. Auch er hat sich wohl in der Nacht von
den gestrigen Anstrengungen erholt.
Zurück in der Herberge heißt es dann
fertig packen und das Bett erst ab, dann neu mit der bereit liegenden
Bettwäsche beziehen. Für eine Nacht in sauberen Laken tue ich das sehr gerne.
Auf jeden Fall, ein tolles Haus, ein
toller Ort zum Verweilen. Doch wir wollen weiter.
Gestärkt und motiviert schaffen wir
es dann auch gegen viertel nach neun loszuziehen. Den Hügel hinunter ins Dorf,
an der Kirche vorbei und hinaus aufs Feld. Immer den Zeichen und gelben Pfeilen
folgend führt der Weg zunächst über die Donau. Das Wetter ist herrlich, blauer
Himmel und es ist jetzt schon zu spüren, dass es heute sehr warm wird.
In Ersingen gibt es einen kurzen Halt
an der Franziskuskirche, wir holen uns einen Stempel und verweilen einen
Augenblick. Auch hierfür finde ich die Besuche der am Weg liegenden Kirchen lohnend:
ein Grund einen Moment auszuruhen. Ich denke dann immer an die alte
Indianerweisheit: Wir müssen hin und
wieder anhalten, damit unsere Seelen folgen können …
Bis Rißtissen geht es dann auf einem
Radweg an der Straße entlang. Einerseits gut, denn hier ist es leicht, Clydes
Wagen zu schieben. Andererseits gibt es keinen Schatten und natürlich sind die
vorbeifahrenden Autos nicht so angenehm. Doch es ist Sonntag und nicht allzu
viel Verkehr. Und Clyde stört es wohl nicht, dass er im Wagen sitzt. Er schaut
begeistert vorne raus und man könnte meinen, er denkt: ‚Schieb mal bisschen schneller
- von wegen Fahrtwind und so …‘.
Auch in Rißtissen schauen wir uns die
Kirche an. Ich bin immer wieder erstaunt über diese kleinen Schönheiten, die
von außen oft recht unscheinbar wirken, innen aber – sehr typisch für
katholische Kirchen – üppig verziert sind.

Während wir weiterpilgern, hänge ich
noch ein wenig meinen Gedanken über das Schloss und die von Stauffenbergs nach.
Doch es ist heiß und bald habe ich das Gefühl, meine Gedanken schmelzen in der
Sonne wie meine Wasservorräte in den Flaschen. Ich kann gar nicht so viel
trinken, wie ich wieder ausschwitze. Und es ist noch nicht einmal Mittag.
Die vier Pilgerinnen aus der Herberge
kommen vorbei. Das übliche ‚Hallo, wie ist es Euch bis jetzt heute ergangen?‘
wird ausgetauscht, dann ziehen sie weiter. Das ist der Weg, man verliert sich
im Prinzip nicht wirklich aus den Augen, wenn man die gleichen Etappen läuft.
Weiter geht es durch Niederkirch nach
Untersulmetingen und Obersulmetingen. Alle drei Ortsteile gehören heute zu
Laupheim. Dennoch bekommen wir an der Pfarrkirche und in den Kapellen jeweils einen
Stempel. Auf den ersten Blick sehen sie gleich aus, aber es steht eben der
andere Ortsteil darauf. Sehr kreativ ;-)
So klein diese Örtchen sein mögen,
ein jeder hat so seine Besonderheit. Ab Niederkirch laufen wir ein Stück an der
Riß entlang, die erfrischend neben uns sprudelt (leider gibt es keine Möglichkeiten
mal schnell die Füße hineinzuhängen). In Untersulmetingen muss Klaus den Wagen
wieder einmal eine Treppe hochackern, die zu umgehen ein ziemlicher Umweg wäre.
Und in Obersulmetingen müssen wir die ‚Kirche‘ erstmal finden. Wir folgen den
Schildern, können aber nirgends einen Kirchturm entdecken. Stellen dann fest,
diese ist – gut getarnt - in einem Teilflügel des kleinen Schlosses
untergebracht. Der Schönheit im Inneren tut dies keinen Abbruch. Doch leider
gibt es davor keine Schattenbank, die wir uns so sehr ersehnen. Diese gäbe es
dann auf dem kleinen Fest, an dem wir gleich danach vorbeilaufen. Aber wir lassen
es links liegen – für einen Frühschoppen ist es jetzt zu spät und nach Kaffee
und Kuchen ist uns nicht …
Weiter immer weiter. Der Weg scheint
heute endlos. Liegt es an der Hitze? Daran dass wir mit dem Wagen unterwegs
sind (Clyde hat das Laufen inzwischen gänzlich aufgegeben). Oder ist es
einfach, weil es der zweite Tag ist und doch noch keine Routine?
Dann kommt von weitem, die auf einem
Hügel liegende Kirche von Schemmerberg in Sicht. Von unserer Probewanderung an
Pfingsten wissen wir noch, dass es dort einen schönen Rastplatz gibt und im
Gemeindehaus eine offene Toilette für Pilger und somit auch einen Wasserhahn,
um die in der Hitze schwindenden Getränkevorräte aufzufüllen.
Zusammen unterwegs sind auch die zwei
Pilger, die vorbei kommen. Sie stellen sich als Maik und Jörg aus Leipzig vor,
Vater und Sohn. Auch sie sind in Ulm losgelaufen. Die üblichen Fragen werden
gestellt und beantwortet und ein wenig geplaudert. Und als wir dann
weiterziehen, pilgern wir zu viert bzw.
fünft los - wobei Herr Clyde ja chauffiert wird ...
Die kleine Kreisstraße auf der wir
nun laufen, ist nicht gleich als solche wahrzunehmen, da sie nicht asphaltiert
ist, sondern geschottert. Zu merken ist dies nur, weil doch hin und wieder ein
Auto vorbeifährt.
Etwas ausgeruht und damit er nicht allzu
schlimm durchgeschüttelt wird, läuft Clyde wieder ein Stück selbst. Doch ich
glaube, dass er inzwischen auf dem Standpunkt ist: besser schlecht gefahren,
als gut gelaufen und will bald wieder einsteigen.
Dieses Stück Weg sind wir ja schon
einmal gelaufen und wissen, kurz vor Äpfingen gibt es noch eine schöne Bank
unter großen Bäumen zum Ausruhen. Die nutzen wir dann auch aus. Maik und Jörg
gehen weiter. Sie übernachten im örtlichen Gasthof, wir haben für heute eine
Privatunterkunft gefunden, die uns auch mit Hund aufnehmen.
Ein wundervoller Vorgarten, in dem es
grünt und blüht, ist schon von weitem zu sehen. Josef, der vor der Garage
gerade an seinem Auto rumschraubt grüßt uns freudig. Gleich zeigt er uns auch
einen Platz wo wir Clydes Wagen unterstellen können. Und Anne, die Hausherrin,
empfängt uns sehr sehr herzlich. Wir bekommen ein riesiges Zimmer im ersten
Stock. Herrlich. Auf einem Tischchen ist verschiedenste Literatur zum Jakobsweg
zu finden, auch ein Buch mit Zitaten, worin ich gleich mal blättere und – es gibt
ja keinen Zufall – über dies stolpere:
Wir schaffen es das Zimmer in kurzer
Zeit ins Chaos zu verwandeln, als wir die Rucksäcke ausräumen. Irgendwie habe
ich das nie in den Griff bekommen, nicht jeden Abend alles ausräumen und am
Morgen wieder einpacken zu müssen. Alles wird gebraucht. Andererseits ist das
ja gut so, dann habe ich wohl auch nichts Überflüssiges dabei.
Wir vier teilen ein Bad und da
Christine und Elisabeth noch nach einer Übernachtung für morgen schauen wollen,
dürfen wir zuerst. Das heißt, als allererstes wird natürlich Clyde versorgt.
Hungrig isst er sein ganzes Abendessen auf und ist danach so munter, dass er
gleich Gassi gehen will. Geduld mein Freund, wir sind noch nicht ganz so weit.
Anne entschuldigt sich, dass sie für
uns kein Abendessen vorbereitet hätte, aber sie waren selbst den ganzen Tag
unterwegs. Wir können nicht oft genug betonen, dass dies doch wirklich nicht
nötig ist und völlig in Ordnung. Hier in Äpfingen gibt es ja zum Glück noch
eine Gastwirtschaft und noch sind die nicht in Betriebsferien.
Als wir geduscht und gestriegelt
sind, machen Klaus, Clyde und ich uns auf dem Weg dorthin.
Ist immer wieder erstaunlich: Rucksack
ablegen, eine Dusche, ein sauberes Shirt und schon fühlt man sich erfrischt
genug um wieder zu laufen. Okay, Clyde nicht. Erst wollte er ja unbedingt raus
und nun hat überhaupt keine Lust, kommt dann aber doch – etwas wiederwillig –
mit.
Gerade als wir uns an einen kleinen
Tisch in dem hübschen Biergarten setzten wollen, kommen Marion und Sonja, die
anderen zwei Pilgerinnen aus Oberdischingen. Wir wechseln an einen großen Tisch
und unterhalten uns darüber, wie der Tag gelaufen ist.
Das Essen ist gut und günstig und reichlich.
Und es gibt genug zu trinken; für mich Johannisbeersaftschorle (nachdem ich den
ganzen Tag Wasser getrunken habe, schmeckt das super) und für die Anderen meist
Radler. Später nehme ich Clyde, der mich mit müden Augen anschaut, auf den
Schoß, wo er sofort selig entschlummert.
Es wird ein sehr netter Abend und
erst gegen zehn machen wir uns auf den Weg zurück zum Haus der Familie Hepp. Clyde
nun wieder ganz munter, springt fröhlich vorne weg, wir ein bisschen müder, schleppend
hinterher.
Das herrliche Bett empfängt uns und es
dauert keine viertel Stunde, da schlafen wir alle drei, tief und fest ...
Fortsetzung
folgt …
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