6.8.15 – Donnerstag; Weingarten nach
Brochenzell
Aufstehen, ins Bad, dann Clyde
versorgen und Gassi gehen. Das Morgenritual. Anschließend, als Klaus dann auch
so weit ist, ganz wichtig: frühstücken. Im Gasthof wird ein reichhaltiges Büfett
angeboten, dass das Pilgerherz höher schlagen lässt. Aber vorweg muss ich
erstmal einen Kaffee trinken und stelle sofort fest: der ist maximal noch als
lauwarm zu bezeichnen! Ich kann am Morgen ohne Essen aus dem Haus, von mir aus
auch im strömenden Regen, aber ohne eine ordentliche Tasse heißen Kaffees bin ich
einfach nicht zu gebrauchen. Nachdem ich die Dame an der Theke höflich gefragt
habe, ob wir einen heißen Kaffee bekommen können (was gar kein Problem ist),
sehen wir, wie sie am Schaltknopf des am Büfett stehenden Kaffeeautomaten
dreht. Da hat wohl irgendwas nicht gestimmt. Und keiner der anderen Gäste hat
etwas gesagt. Ist doch irgendwie wieder typisch, lieber nimmt man den lauen
Kaffee in Kauf und ärgert sich über den „schlechten Service“, als das man
einfach mal nachfragt, warum …
Klaus freut sich, denn es gibt
Pfannkuchen. Er meint: »Normalerweise esse ich die ja am liebsten mit Ketchup,
aber es gibt wohl keinen …«. Ich muss mich bei dem Gedanken schütteln! Aber mir
bleibt der Anblick erspart und er nimmt stattdessen von den verschiedenen
Sorten der angebotenen Marmelade (die richtig selbstgemacht aussieht und sehr
lecker ist).
Als wir dann endlich mit Frühstücken
fertig sind, packen wir unseren Krempel zusammen. Immerhin müssen wir uns heute nicht um eventuell
nicht getrocknete Kleidung kümmern, denn wir haben gestern nicht gewaschen. Eines
der schönsten Dinge an solch einer Reise ist es ja, dass sie nicht nach einem
Tag endet. Das Wissen darum, morgen wieder unterwegs zu sein, bringt uns dazu,
Kräfte zu mobilisieren, von denen wir vielleicht gar nicht wussten, dass wir
sie haben.
Der Weg geht weiter und weiter. Das
wird er auch, wenn ich ihn längst verlassen habe – und wenn ich wiederkomme.
Für uns ist ja leider heute schon
unser letzter Tag auf dem Jakobsweg. Bei der Suche nach Unterkünften konnte ich
am heutigen Etappenziel niemanden finden, der uns mit Hund aufgenommen hätte
und ein Hotel gibt es nicht. So hatten wir beschlossen, eben einen Tag früher als
ursprünglich geplant aufzuhören. Doch, wir lassen uns davon die Laune nicht
verderben und tun so, als hätten wir noch Wochen auf Pilgerpfaden vor uns.
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die Basilika von Weingarten |
Das ‚tappen‘ meiner Zehen lasse ich
heute auch weg. Die Blase schmerzt nicht und durch die Hitze war gestern das Pflaster
ganz klebrig und unschön geworden. Die Druckstelle oberhalb der Ferse ist auch
so gut wie nicht mehr spürbar. Ich wäre jetzt so richtig ‚eingelaufen‘ …
Draußen spüren wir jetzt schon, dass
es heute wieder ein heißer Tag wird. Selbst die Morgenluft – vor allem hier in
der Innenstadt von Weingarten – ist warm. Nun, wir haben genug Flüssigkeit ‚an
Bord‘, also los.
Gestern hatten wir in der Nähe der
Basilika einen Hinweis gesehen, wo der Jakobsweg weitergeht. Von dort laufen
wir nun mehr oder weniger einmal um den Block, bis wir fast wieder vor unserem
Hotel stehen. Toll. Kleiner Umweg. Wenn man das immer vorher so wüsste … Doch so
früh an einem Wandertag, kann man sich über derlei Dinge noch amüsieren. Vor
lauter rumalbern verpassen wir wohl ein Wegzeichen, bleiben stehen und
überlegen, ob wir hier überhaupt richtig sind. Ein freundlicher Herr, der
gerade vor uns einparken möchte, fragt aus dem Autofenster heraus: »Wohin möchten
Sie denn? Suchen Sie den Jakobusweg?« Wir bejahen dies. Er daraufhin: »Wenn sie
hier durch den Friedhof gehen, geradeaus durch, dann kommen sie oben wieder auf
die Reutebühlstraße. Da ist auch der Jakobsweg.« Wie nett, vielen Dank! Auch
wenn ich es schon kenne, überrascht mich die Freundlichkeit und
Hilfsbereitschaft der Menschen am Weg immer wieder aufs Neue.
Endlich mehr oder weniger oben,
gelangen wir in das Naherholungsgebiet der Stadt Weingarten, bzw. Ravensburg.
Wunderschöne breite Waldwege und viele Bänke. Ich denke laut: »Irgendwie sind
die einfach zu ungleich verteilt. Hier gibt es an jeder Ecke eine Bank, aber
wenn wir eine suchen, dann ist weit und breit keine in Sicht.« - Sicherlich
durch die Nähe der Stadt bedingt, sind hier schon eine Menge Leute unterwegs: Spaziergänger,
Jogger, Wanderer.
Die finden wir dann erst außerhalb
der Stadt. Ein bisschen ausruhen und Kräfte sammeln.
Von hier geht es dann wieder ab in
den Wald. Die Wege sind einigermaßen breit und vor allem gibt es Schatten. Etwas
später pilgern wir für vielleicht zwei bis drei Kilometer an einem kleinen Bach
entlang. Als wir an einem Waldparkplatz von diesem abbiegen müssen, stellt
Klaus sich ins Wasser. Er sagt, es kühlt die Sohlen seiner Wanderschuhe. Das
funktioniert wirklich, meint er. Auch Clyde kühlt sich die Sohlen, bzw. Beine.
Die Wege hier sind wirklich gut zu
laufen und Zeichen und Hinweise reichlich vorhanden. Aber gegen Mittag macht
sich doch ein wenig Erschöpfung breit. Denn, trotz des Schattens im Wald, ist
es heiß und es gibt weder Bänke zum darauf sitzen, noch Wiesen zum darin
liegen. Hin und wieder ein Halt, dass Clyde etwas trinken kann, aber ausruhen
ist das nicht.
Doch auch hier hat der Jakobsweg so
seine eigenen Gesetzmäßigkeiten. Er gibt einem was man braucht, wenn man es
sich stark genug wünscht. Als wir nämlich schon fast so weit sind, uns einfach
mitten auf den Waldweg zu setzten, gelangen wir an einen großen
Wald-Grill-Rastplatz. Richtig schön! Die großen Bäume bieten reichlich
Schatten, ein leichter Wind weht von der Lichtung her und es gibt Bänke und
Tische. Jeder belegt gleich mal eine solche Bank. Etwas trinken, eine Kleinigkeit
essen (wobei, mehr als ein Müsliriegel geht nicht, da ich irgendwie gar keinen
Hunger habe) und dann lang ausstrecken. Herrlich.
Nach etwa einer Stunde machen wir uns
wieder auf den Weg. Dieser führt uns laut Wanderführer erstmal auf einen breiten
Forstweg, dann auf einen ‚Romantischen Weg‘ an einem Bach entlang. Was meint er
nun wieder mit ‚romantischer Weg‘? Ist der besonders zugewachsen, uneinsichtig,
schmal oder erdig? Ich befürchte schon das Schlimmste. Aber letztlich stellen
wir fest, es ist einfach ein etwas geschwungener Waldweg, aber gut begehbar,
bzw. befahrbar.
Die 12 km bis Hungersberg sind fast
einsam und ich fühle mich wie ein Waldläufer (gleichwohl ich farblich, so in
rot, nicht wirklich getarnt bin). Wir folgen dem gelb-blauen Muschelzeichen,
die es hier zum Glück reichlich gibt. Kurz vor dem kleinen Ort dann, mitten im
Wald und ohne Vorwarnung, eine Gabelung. Nach rechts Jakobswegwegweiser, ebenso
nach links. Hm. Eine genauere Betrachtung des Schildes zeigt an, das rechts ein
angeblich ‚schattiger Nebenweg‘, links der im Pilgerführer beschriebene
Hauptweg verläuft. Der führt bald aus dem Wald hinaus und entlang einer kleinen
Straße, so lese ich in meinem Büchlein. Hm. Was tun? Bei dem Nebenweg haben wir
keinen Schimmer, wo der wieder auf den Hauptweg trifft. Hinweise hierzu fehlen
gänzlich. Risiko eben. Letztlich entschließen wir uns dann den Hauptweg zu
nehmen. Nach der Erfahrung der letzten Tage, ist es gut möglich, dass plötzlich
keine Beschilderung mehr da ist und mit Hilfe des Wanderführers hat man doch
zumindest einen Anhaltspunkt.
Gleich nach dem Ort Hungersberg,
steht am Rande eines großen Bauernhofes eine kleine Pilgerkapelle; natürlich
wollen wir einen Blick hineinwerfen. Wir müssen so oder so pausieren, Clyde ist
total fertig und braucht dringend etwas Ruhe. Er legt sich im Schatten ins Gras
und will von der Welt nichts mehr wissen. Ich kühle ihn ein wenig, indem ich
sein Fell nass mache. Da sich unsere Wasservorräte auch dem Ende zuneigen,
fragt Klaus den Bauern, der im Hof rumwerkelt, ob wir hier welches bekommen
könnten. Wir können und Klaus füllt alle leeren Flaschen.
Nach ca. 15 Minuten habe ich den
Eindruck, dass Clyde sich etwas erholt hat. Ich mache noch sein ‚Halstuch‘ nass
bevor er wieder in seinen Wagen einsteigt. Wir müssen jetzt leider noch ein
Stück an einer kleinen, zum Glück wenig befahrenen, aber sehr heißen Landstraße
laufen.
Gegen Ende der Etappe führt der Weg uns
dann ein Stück am Flüsschen ‚Schussen‘ entlang. Klaus hält vergeblich Ausschau
nach einem geeigneten Platz, an dem er seine Füße ins kühle Nass hängen, bzw. wo
Clyde baden könnte. Aber nichts zu machen. Die Uferböschung ist ziemlich dicht
und hoch und es gibt einfach keinen Zugang. Also weiter den Grasweg entlang.
Plötzlich sehen wir etwa 100 m vor
uns zwei Zelte stehen und ein paar Männer, die auf Bierkisten hocken. Das heißt
Clyde hat sie zuerst bemerkt, bzw. deren Hund. Sind wir hier noch richtig? Der
Weg ist kaum zu erkennen und warum sollten die mitten auf dem Wanderweg zelten?
Gleichwohl, die wissen das vielleicht nicht? Wir gehen vorsichtig weiter.
Tatsächlich, der Weg führt hier entlang und die Typen campen mitten darauf. Na
dann, Prost.
Irgendwann machen die zwei sich auf
zu ihrem Nachquartier und wir zur vereinbarten Abholstelle. Kurt, Klaus Bruder
kommt um kurz nach sieben. Als Clyde das Auto sieht, steigt er sofort ein –
auch wenn er es nicht kennt. Nach dem Motto: ich will jetzt fahren, bequem und
klimatisiert! Nicht mehr laufen oder im Ferrari durchgerüttelt werden.
Wir brauchen etwas mehr als eine
Stunde für die Fahrt nach Laupheim. So nach sechs Tagen zu Fuß unterwegs kommt
es mir ganz komisch vor im Auto zu sitzen. Und vor allem die Strecke so schnell
zurück zu legen.
Bei Klaus zuhause heißt es dann erstmal
Rucksack runter, Schuhe aus und duschen … auspacken können wir morgen noch …
nur nicht so schnell mit dem Weg abschließen …
Fortsetzung
folgt …
Schön, dass Ihr gesund und munter wieder zurück seid und dass Clyde so tapfer durchgehalten hat!
AntwortenLöschenViele Grüße
Hans