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Donnerstag, 27. August 2015

Versuch eines Fazits ...




Unsere Pilgerreise ist zu Ende. Klaus meint, nachdem er meinen letzten Blogbeitrag gelesen hat: Wir waren viel zu kurz unterwegs! Nun, dann trifft unterbrochen es wohl besser. Auch ich bin mir sicher, dass wir es wieder tun werden, wie viele, die der Virus einmal gepackt hat. Ganz nach dem Motto: Das Ende einer Etappe ist nur der Anfang einer anderen…

Meine ‚Arbeit‘ beginnt ja oft erst dann, wenn die Reise zu Ende ist und ich meine Notizen aufarbeite. Was heißt Arbeit? Ich schreibe sehr gerne und es bringt mich nochmal ein bisschen auf den Weg zurück. An dieser Stelle übrigens ein ‚Danke‘ an die Leser, die zumindest virtuell ein Stück mitgelaufen sind. Gefreut habe ich mich auch über all die netten Kommentare. Vielen Dank dafür!

Während ich nun also die Notizen durchgelesen habe, kommen mir noch ein paar Dinge in den Sinn …

Natürlich habe ich einen kleinen Vergleich mit meinem großen Camino von 2011 gezogen. Okay, irgendwie ist es nicht wirklich zu vergleichen, denn die zwei  Pilgerreise könnten unterschiedlicher nicht sein:
Damals bin ich alleine, mitten im Winter losgezogen. War drei Monate unterwegs. Quer durch Frankreich und Nordspanien. Ziemlich unvorbereitet und recht ahnungslos. Habe sehr viel mit mir selbst gekämpft – innerlich und äußerlich.
Diesmal waren wir zu zweit, mit Hund. Dies mitten im Hochsommer, 6 Tage in Deutschland. Besser vorbereitet und eben wegen des Hundes mit vorbestellten Übernachtungsplätzen. Gelassener auf jeden Fall.

Und doch hatten die beiden Reisen durchaus Gemeinsamkeiten. Es fängt damit an, sich einfach auf den Weg machen. Zu Fuß der gelben Muschel auf blauem Grund folgen. Abstand nehmen zum Alltag, wieder ein bisschen näher zu sich selbst finden. Innehalten. Natur erleben, seine eigenen Grenzen kennenlernen … und alles was man benötigt auf dem Rücken tragend.

Apropos, wenn ich da schon beim Thema bin … Mir kam der Gedanke, hätte ich in 2011 gewusst, wie wenig Gepäck ich benötige, hätte ich mir wohl einiges an Schulterschmerzen erspart. Der Rucksack diesmal war rein vom Volumen her schon 20 l kleiner und nicht einmal ganz voll. Ich habe zu keiner Zeit das Gefühl gehabt, er drückt, belastet, ist zu schwer. Manchmal habe ich in überhaupt nicht gespürt, erst beim Abnehmen.

Meine Erkenntnis, für 4 oder 8 Wochen hätte ich auch nicht mehr Gepäck mitgenommen bzw. benötigt. Einzig, dass ich bei einer Pilgerreise im Winter nicht auf den großen warmen Schlafsack verzichten würde. 
 Ich erkenne aber auch, dass ich auf meiner ersten Pilgerreise einfach noch mehr Ballast zu tragen hatte, manches wohl auch nicht loslassen konnte. Dies gilt im übertragenen, wie im wörtlichen Sinn, denn das hat sich dann eben auch in meinem Gepäck widergespiegelt.

Eine gute Ausrüstung lohnt sich, so meine Meinung. Das heißt aber nicht, dass alles ‚High Tech‘ und teuer sein muss (der Preis sagt nichts über die Qualität aus). Aber z.B. Funktionskleidung ist etwas Sinnvolles. Alleine schon, weil sie leicht ist und schneller trocknet. Es gibt auch keine Pauschalempfehlung für Dinge wie Schuhe etc. Ich denke, dass muss jeder für sich herausfinden, ausprobieren.
 
Was unsere Erlebnisse betrifft, mit Hund zu pilgern … Der Wagen hat sich bewährt. Soviel ist sicher. Nicht nur war es eine Entlastung für Clyde, so dass er nicht die ganze Strecke laufen musste (er hat ja doch etwas kürzere Beine). Auch das er z.B. in Städten oder wenn der Weg an einer Straße entlang führt darin sicher aufgehoben ist. Auch kann sein Gepäck (Handtuch, Futter etc.) darin transportiert werden.
Die Hundeanhänger/ -wagen sind nicht besonders gefedert. Besser gesagt gar nicht. So hatte ich für seinen ‚Ferrari‘ eine Matratze besorgt. Diese ist aus festem Schaumstoff und genau an den Wagen angepasst (mit Platz um vorne eine Flasche Wasser ‚einzuklemmen‘). Vorteil ist zum einen natürlich die Polsterung und der Hund steht nicht auf dem nackten Boden. Zum anderen hat es den Effekt, dass Clyde höher sitzt. Und dann auch wirklich sitzt und nicht nur steht um rauszuschauen.

Es war schön ihn dabei zu haben. Doch es ist auch anstrengender. Der Wagen muss geschoben werden, was bei machen Abschnitten des Weges gar nicht so einfach war; ich sag nur Bachläufe und Treppen. Ganz zu schweigen von umgestürzten Bäumen, über die man den Wagen hieven muss.
Anstrengend ist es auch für den Hund. Er hat einfach nicht seine gewohnten Ruhepausen, die Umgebung ist ungewohnt und er versteht ja nicht wirklich was passiert. Und Clyde ist nicht mehr so ganz der Jüngste und die Hitze hat ihm doch sehr zu schaffen gemacht.
Mit Hund ist man gebundener. Soll heißen, die Übernachtungsmöglichkeiten sind eingeschränkter, auch Besuche in Kirchen oder im Supermarkt sind mit Hund meist nicht möglich. Wie gesagt, es war eine tolle Erfahrung ihn dabei zu haben, aber ob wir das nochmal tun, keine Ahnung …
Noch eine Anmerkung: der Wagen lässt sich mühelos zu einem Fahrradanhänger umbauen, wofür er weiterhin benutzt wird.

»Man muss es aushalten, denn am Ende ist man wohl nicht nur derjenige, der man war und ist und sein wollte, sondern auch derjenige, den die anderen sehen.«

Zu zweit unterwegs sein (okay zu dritt, aber in diesem Fall meine ich die beiden Menschen) ist definitiv anders als alleine. Ich gebe zu, mir hat manchmal die Einsamkeit gefehlt, um einfach meinen Gedanken in Ruhe nachhängen zu können. Oder alleine durch einen stillen Wald pilgern, nur den eigenen Schritten lauschen. Ganz bei mir sein und nur der eigenen inneren Uhr folgend.
Andererseits war es schön, das Erlebte gleich zu teilen. Das hat es dann vertieft, denn – so haben wir festgestellt – jeder sieht die Welt mit seinen Augen. Will sagen, oft hat Klaus Dinge gesehen oder wahrgenommen, die mir nicht aufgefallen sind – um umgekehrt. Das hat die Pilgerreise vielfältiger gemacht. Auch z.B. das ich nicht immer alleine entscheiden musste, welchen Weg ich gehe, wenn ein Wegweiser fehlte. Es ist ein intensiveres Zusammensein, 24 Stunden am Tag. Ich lerne Rücksicht nehmen, vielleicht Kompromisse eingehen und doch immer ich bleiben.

Was ich wirklich empfehlen kann: Wir hatten ein Handy für den Notfall dabei, aber das war die ganze Zeit im Rucksack ‚vergraben‘. Ansonsten kein Fernsehen, kein Radio, keine Telefonate, kein Internet. Einfach mal ganz und gar weg sein. Macht den Kopf frei …

Wie immer waren die Begegnungen auf dem Weg etwas Besonderes. Die unterschiedlichsten Typen von Menschen, die sich im normalen Alltag wahrscheinlich nicht begegnen würden. Und auch wenn jeder ein anderes Motiv hat, sich auf die Reise zu begeben, so streben wir alle einem Ziel entgegen. Und damit meine ich nicht nur im eigentlichen Sinn Santiago. Nein, eher das Unterwegs sein, das mit sich sein, das laufen und sich dabei sehen, wie weit reichen meine Kräfte – um sich am Ende des Tages zu freuen das Etappenziel erreicht zu haben. Sofort ist unter Pilgern eine Vertrautheit da, die ich sonst nur aus meiner Selbsthilfegruppe kenne. Das Verbindende ist wichtig, nicht das was trennt.

Und noch ein Gedanke zum Schluss: Das Reisen ist wie ein Leben im Zeitraffer. Alles passiert irgendwie superschnell. Auch wenn man zu Fuß unterwegs ist. Doch, all die Begegnungen, all die Abschiede und auch das Loslassen lernt man schneller. Man lernt sich selbst besser kennen und entdeckt viel Neues innerhalb und nicht nur außerhalb von seinem selbst. Man trifft die eigenen Gedanken, die irgendwann unterbrochen wurden, die verloren zu sein schienen und das denen neue Gedankenabläufe entstehen und uns jetzt zu dem machen können, was wir sind.
Auf einmal können wir uns daran erinnern, wie wir sind. Wir lernen immer mehr dazu, zum Beispiel, dass man Traurigkeit wunderbar in Dankbarkeit umwandeln kann.
So will ich nicht traurig sein, dass es vorbei ist, sondern bin glücklich, dass ich es erleben durfte.

 


In diesem Sinne: Ultreia – bis zum nächsten Mal irgendwo auf dem Jakobsweg...

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