5.8.15 – Mittwoch; Bad Waldsee nach
Weingarten
»Der Weg verleugnet sich häufig selber, um dem Reisenden
anzuspornen herauszufinden, was sich hinter der nächsten Kurve befindet.«
(Paolo Coelho)
Ich habe ganz gut geschlafen und als
um 06:00 Uhr der Wecker klingelt, kann ich leicht aufstehen. Klaus kriegt nicht
gleich die Kurve. Die Mücken- und Bremsenstiche haben ihn in der Nacht ziemlich
schlimm gejuckt (und wach gehalten) und das Mittel, das wir eben gegen den
Juckreiz dabei haben, juckt das gar nicht; mit anderen Worten: es hilft wenig.
Wir packen alles zusammen. Bevor ich
meine Schuhe anziehe, ‚tape‘ ich meine Zehen mit Pflaster, das ich gestern in
der Apotheke gekauft habe. Zwar tun die Blasen nicht weh, aber ich möchte doch
vermeiden, dass es eventuell unangenehm zum Laufen wird.
Klaus bastelt immer wieder daran
herum, wie er die Tasche in Clydes Wagen besser befestigen könnte. Die Wege
sind teilweise ja doch etwas anspruchsvoll. Das Gerüttel und Geschüttel dieser
unebenen Wege tut das seinige und die Tasche rutscht hin und her. Es
funktioniert inzwischen ganz gut, aber Klaus meint: beim nächsten Mal machen
wir das ganz anders! Höre ich da etwa heraus, dass ihn diese Art des Reisens
gefällt und wir das mal widerholen?
Gegen neun Uhr geht es dann endlich los
und ziemlich gleich mit einer Hürde: mal wieder Treppen. Es ist ja noch früh am
Morgen und Klaus meint heroisch: Das geht! Just in dem Moment als Klaus schon
anfangen will, den Ferrari die Stufen hochzuhieven, spricht uns ein Mann, der
mit seinem Jungen vorbeikommt, an,. „Sie können auch hier die Straße hochlaufen
und dort oben rechts kommen Sie auch an die Kapelle.“ Wir bedanken uns. Das
erspart uns bzw. Klaus eine Kraftanstrengung gleich am Morgen.
Oben angekommen, machen wir erst
einen kurzen Abstecher in die Frauenbergkapelle, dann zur Esso Tankstelle (ich
muss sehr dringend meinen Morgenkaffee loswerden).
Auf dieser Reise bin ich ja nicht
allein unterwegs, was, wie ich schon festgestellt habe, durchaus Vorteile hat:
z.B. machen wir mehr Pausen, ich kann mich über Erlebtes austauschen usw. Aber
ich gebe zu, ich habe auch Momente – so wie eben jetzt - da sehne ich mich nach
der Einsamkeit meiner Pilgerreise in 2011 zurück. Einfach mal ohne reden, nur
mit mir und meinen Gedanken, vor mich hin trotten. Ich werde etwas ungehalten
... Tja, das müssen wir wohl noch lernen, wenn wir auch weiterhin zusammen Pilgerreisen
unternehmen wollen...
Schlechte Laune dauert bei mir nie
lange an. Ich habe meine ‚5 Minuten‘ und vergesse dann was war, beruhige mich
schnell wieder. So auch heute. Zu schön ist das Wetter und das Laufen.
Am Ortseingang von Gwigg, bietet uns
eine ältere Frau, die gerade vor ihrem Haus steht, an, unsere Wasserflaschen zu
füllen. Wie fast jeder befragt auch sie uns, zu Clydes Wagen, dem Hund etc. Und
sie stellt sicher, dass wir auch seine Schüssel mit frischen Wasser füllen.
Nachdem wir eine Weile mit ihr
geplaudert haben, pilgern wir weiter in Richtung Kirche. Wir treffen Marion und
Sonja und gehen ein Stück zusammen.
Dieser Abschnitt ist nicht so schön, führt
er uns doch an einer Straße entlang. Der Asphalt ist heiß und strahlt diese
Wärme, zur sowieso schon herrschenden Hitze, ab. Sonja und Marion machen bald
eine Pause, wir laufen weiter. Wir sehnen uns nach einer Bank im Schatten am
Waldrand.
Als wir gerade wieder aufbrechen
kommen die zwei anderen und belegen die Bank. Wir ziehen weiter. Clyde ist müde
und hat keine Lust zu laufen. Wenn er in den Wagen einsteigen will, zeigt er
dies deutlich. Er folgt Klaus penetrant auf den Fersen, riskiert sich einen
Nasenstupser zu holen, bis Klaus anhält und er einsteigen kann. Immer nach dem
Motto: Besser schlecht gefahren, als gut gelaufen!
Der Tag ist nicht nur heiß – selbst
hier im Wald - sondern auch irgendwie zäh. Durch die schlechte Beschilderung,
müssen wir ständig stehenbleiben und den Weg suchen, raten wo es lang geht. Das
drückt ein wenig die Stimmung und zehrt an den Nerven.
Wir laufen bestimmt ein bis zwei
Kilometer extra, als wir einen Weg einschlagen, uns dann nicht mehr sicher sind
ob es stimmt, ihn wieder zurück gehen um dann zu beschließen: der könnte es
doch sein – und die anderen Wegen stimmen gefühlsmäßig irgendwie auch nicht.
Der Weg war der richtige. An einer
Hütte machen wir Pause und nach kurzer Zeit kommen die vier anderen Pilger, die
wir nun schon gut kennen. Wir gehen zu sechst weiter.
Jetzt wird der Weg richtig „nett“.
Zwar gibt es wieder ausreichend Beschilderungen, aber dafür sind die Wege eher
ausgewaschene Bachläufe und es geht entweder steil hoch oder runter. Klaus hat
seine Nöte mit dem Ferrari, zumal sich Clyde strikt weigert auszusteigen. Zum
Glück hat es in den letzten Tagen nicht geregnet und der Boden ist fast überall
trocken. Nicht auszudenken, wie es ist, wenn hier noch alles matschig wäre.
Nach einem weiteren Anstieg empfängt
uns der Ort Köpfingen mit dem Schild des Gasthauses Frohe Aussicht, dass ausdrücklich Pilger willkommen heißt. Wir
atmen auf.
Doch als wir die Gaststätte
erreichen, ist die Enttäuschung groß, denn eine Tafel am Eingang verkündet: Mittwoch
Ruhetag. Allgemeines Aufstöhnen. Oh nein! Und ich hatte mich so auf ein eiskaltes
Cola gefreut. Wir beschließen trotzdem in dem schattigen Biergarten eine Pause einzulegen.
Ich laufe ums Haus um zu schauen, ob es wenigstens irgendwo einen Wasserhahn
gibt. Es gibt keinen. Und nach Weingarten sind es noch gut 3 km.
Doch so oder so tut die Pause gut und
bald brechen wir wieder auf.
Klaus, Clyde und ich gehen auch
weiter. Eine Werbetafel für einen Getränkehandel zwei Straßen weiter lässt
hoffen. Doch auch hier finden wir nur geschlossene Türen. Wir stellen fest, es
handelt sich um eine ‚Besenwirtschaft‘. Hier hätte man Apfelmost erstehen
können, der ja eh nix für mich ist. Es sieht auch so aus, als ob keiner zuhause
ist. Überhaupt ist der ganze Ort wie ausgestorben. Nun, dann pilgern wir eben
weiter. Am Ortsausgang sieht Klaus an einem Haus einen Wasserhahn. Keiner ist
da, den wir fragen könnten, so füllen wir zwei Wasserflaschen ungefragt – und ohne
schlechtes Gewissen - auf.
Etwas über der Stadt thront die große
Klosteranlage mit Basilika. Diese besichtigen wir noch kurz. Sie ist wirklich
schön, aber wir sind nicht mehr so richtig aufnahmefähig. Wir beschließen, auch
hier nochmal irgendwann herzukommen um die Basilika in aller Ruhe anzuschauen.
Wir finden noch eine Tafel mit dem
Hinweis, das Santiago von hier aus 2400 km sein soll. Hm. Klaus meint, das ist seltsam,
denn wir haben heute schon Schilder gesehen, da waren die Angaben deutlich
unter 2000. Sind wir rückwärts gelaufen? Nein, es liegt wohl eher daran,
welchen Weg nach Santiago man läuft. Es gibt ja inzwischen ziemlich viele
Möglichkeiten. Nun, für heute nehmen wir die kürzeste gesehene Entfernung (1983
km). Das gibt uns ein Gefühl von Vorwärtskommen.
Auf dem Weg zur Unterkunft, finden
wir in der Innenstadt ein Kaufland Supermarkt und Klaus geht hinein um ein
Sixpack Apfelsaftschorle zu kaufen. Immer nur pures Wasser ist auf Dauer
bisschen langweilig …

Wir sind freuen uns, als wir endlich
im Zimmer sind. Erstmal Rucksack runter und Schuhe aus. Dann die ersehnte
Dusche. Ein frisches Shirt anziehen und schon sieht die Welt wieder bunt aus.
Etwas später machen wir uns auf die
Suche nach etwas Essbarem und gehen wir wieder durch die Innenstadt. Vorhin war
hier wesentlich mehr los. Und da waren doch auch noch viel mehr Restaurants,
oder? Letztlich finden wir noch ein griechisches Lokal, dass einen Biergarten
hat. Der Abend ist sommerlich warm und wir möchten unbedingt draußen sitzen.
Wenn ich so unterwegs bin, also immer draußen, mag ich nach einer Weile gar
nicht mehr drinnen sein. Zum Schlafen, ja das ist okay, aber ansonsten
beklemmen mich geschlossene Räume dann fast.
Das Essen ist so naja, aber es macht
satt. Christine und Elisabeth laufen vorbei und wir plaudern noch einen Moment.
Sie übernachten im Rössle (ich hatte dort auch angefragt, aber die nehmen keine
Hunde). Sie haben auch dort gegessen und es sei richtig gut gewesen. Wenn wir
das gewusst hätten. Aber wenn man sich nicht auskennt, ist es in einer fremden
Stadt eben schwieriger ein gutes Restaurant zu finden.
Auf dem Rückweg zu unseren
Unterkünften machen wir noch an der Eisdiele Halt und gönnen uns einen schönen großen
Eisbecher.
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